Alle 5 Jahre wird Kassel zum Austragungsort der Documenta. Und das ist dieses Jahr bis zum 23. September und 2012 wieder der Fall. Was gibt es auf dieser Schau der zeitgenössischen Kunst zu sehen? Wenden wir uns der Kunst im Aue Pavillon zu. Gleich am Eingang empfängt uns ein afrikanischer Künstler mit Masken, die aus alten Kanistern gefertigt sind. Erst auf dem zweiten Blick erkennt man, dass eines der Kunstwerke aus einem aufgeblasenen Kanister besteht. Im Alltag erfolgt das Aufblasen der Kunstoffbehälter mit heißer Luft, damit mehr hineinpaßt. Somit gibt das Kunstwerk Einblicke in die reale Welt und foppt doch seine Betrachter, die erst auf dem zweiten Blick die kreative Recycling-Arbeit durchschauen. Heutzutage wird die Kunstwelt von Installationen und Videos dominiert. Auch im Aue-Pavillon kann man sich in einen Käfig vor die Glotze setzen. Gefangen von Bildern?? Was hat sich der Künstler dabei gedacht? Eine der wenigen Künstler und Künstlerinnen, die entgengen dem Kunst-Mainstream noch auf dem Gebiet der Malerei tätig sind, ist Monika Baer. Auf der Documenta in Kassel zeigt sie aber nicht die von ihr verdichteten barocken Bildmotive, sondern Freiräume, aus denen uns Gesichter einer Untoten beobachten. Vampir ist der Titel eines Gemälde-Zyklus von Monika Baer. Mal düster, mal in Bonbonfarben. Knochen tanzen duch die Luft. Die Werke aus Tusche, Öl und Asche erinnern an Collagen. An Andy Warhol und seine Dollar-Popart-Kunst erinnern zwei Öl-Gemälde der Künstlerin vom Prenzlauer Berg in Berlin mit dem Titel 10 dollar bill in a state of desintegration. Diese eher kleinformatigen Werke fallen erst auf den zweiten Blick auf. Wirken aber um so nachhaltiger. Ein Farbkleks im Aue-Pavillon der Documenta Kassel sind Hochzeitsschleier. Kostbare Stickereien aus dem Bereich der angewandten Kunst. Kunststätte Nr. 2 der Documenta-Stadt Kassel ist die Neue Galerie an der schönen Aussicht. Die neue Galerie empfängt uns mit dunkelgrauen Gewölben, abgedunkelten Fenstern, selbst im Treppenraum sind die Scheiben mit blauer Folie beklebt. Ein Baskischer Künstler aus Spanien stellt Fotos von Staudämmen aus, er will das Verhälnis Natur-/Kulturlandschaft hinterfragen. Seine Fotoarbeiten sind jedoch nicht aufgehängt, sondern stehen am Boden, Kunstwerke, die sich wie eine Barriere selbst verdecken. Aus dem Dunkel der grau und düster gehaltenen Documenta-Räumlichkeiten sticht eine weiße Fläche ab. Ein weißes Ölgemälde, auf dem man Leinwandstrukturen zu erkennen glaubt. Es sind jedoch Bleistiftlinien, pardon, der Künstler nennt es Silberstift. In einem abgedunkelten Raum ein Ausstellungsstück eines bulgarischen Künstlers. Ein Karteikasten mit dem Titel The secret. So richtig geheimnisvoll bleibt der Inhalt jedoch nicht. Auf der Video-Installation an der Wand blättert der Künstler und enthüllt dem Kunst-Publikum zum Teil Zeichnungen, Zettel. Wieso heißt das so enthüllte Kunst-Objekt eigentlich The secret? Im oberen Stockwerk der neuen Galerie wird es nekrofil. Die Dokumenta-Ausstellung zeigt Särge. Fast glaubt man sich bei dem roten Neonlicht in einem B-Movie. Am Boden liegen jedoch AIDS-Schleifen herum. Ok, der Künstler macht ein Statement. In einem anderen Raum erkennt man am Boden liegende Gestalten. Zum Teil bewegen sie sich leicht. Diese moderne Kunst ist irgendwie gruselig. Im Keller der neuen Galerie wird die Kunst noch anklagender. Fotos von Operationen von Kriegsverletzten und abgetrennte Pappgliedmaßen am Boden. Darf Kunst in der heutigen Zeit eigentlich noch schön sein, oder haben es zeitgenössische Kunstwerke nötig zu schocken? Wir verlassen den gruftigen Documenta-Schauplatz. Von einem Monitor heult uns eine asatische Frau nach. Etwas befremdet von dieser Kunst sind wir froh, das Tageslicht wieder zu sehen. Und was ist das beste an der Documenta 12, natürlich die Liegestühle der Cafés der Documenta-Stadt Kassel. An der Documenta-Halle blickt man in die Fulda-Aue der Stadt Kassel. Die Lebensgeister kehren wieder. Kunstausstellung Nr. 3: Die Documenta-Halle neben dem Museum-Fridericianum. Die Documenta-Halle enthällt eine Art ironisch vergrößerte Gebrauchskunst: überdimensionierte Stofftiere, wie Hunde und einen Kraken und natürlich die viel gezeigte Giraffe. Eine Documenta-Besucherin aus England fragt schüchtern: Is it real? Ist die echt?. Ja die Giraffe ist echt, sie ist noch etwas klein. Ich hätte sie lieber lebendig. Da steht nun also eine tote ausgestopfte Giraffe, etwas abgewetzt an der Seite und ist ein Documenta-Kunstwerk. Es soll auf die Künstlichkeit von Zoos aufmerksam machen. Ja, Ihr lieben zeitgenössischen Künstler, gut, dass Ihr ein Gewissen habt. Viel ehrlicher wirken da die Fotos von angeklebten Kaugummis. Erfrischend keck. Gerade vorhin habe ich meinen Kaugummi achtlos - und ahnungslos ob seines Kunstwertes - in den Mülleimer expediert. Zum Abschluss werden Documenta-Besucher in der Documenta-Halle Kassel Zeuge eines Tribunals. Im stündlichen Turnus eine Art Hör-Theater-Darbietung. Schlägt aufs Gemüt. Zwischen Documenta-Halle und Neuer Galerie reihen sich Verkaufstände von Kunsthandwerk. Kunst und Kommerz. Es drängt sich die Frage auf, ist die Kunst auf der Documenta auch kommerziell. Oder anders gesagt, können die Künstler, die auf die Documenta eingeladen wurden, von ihrer Kunst leben? Eine Auszeit von der Kunst bieten die grünen Oasen in Kassel, zum Beispiel der Seerosengarten hinter dem Gebrüder Grimm Museum neben der neuen Galerie. Was haben die documenta-Besucher gemein? 18 Euro weniger in der Tasche (denn das ist der Eintrittspreis für alle Kunstausstellungen der Documenta) und keine entspannten Gesichtszüge. Dabei erlauben einige der ausgestellten Werke ein Augenzwinkern. Denken wir nur an die Fotokunst der angeklebten Kaugummis - noch mit Zahnspuren. Oder die Recycling-Kunst der Kanister-Masken. Selbst außerhalb der Documenta Kassel wird frisch recycelt, Sandalen aus Altreifen. Und dann die Installation, bei der man sinngemäß lesen kann: "Nun bist Du bis ins Herz Deutschlands gereist, nur um in deinem Schatten das Wort Kunst zu lesen." Kunst, die sich selbstironisch auf die Schippe nimmt. Vielleicht möchte die Kunststadt Kassel mit dieser Documenta uns Kulturkonsumenten nur den Rat mit auf den Weg geben, Kunst um der Kunst willen nicht so tierisch ernst zu nehmen.
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